Seiten

Mittwoch, 24. Januar 2018

Pech gehabt oder Warum ich an Depressionen erkrankte

Depressionen können Jeden treffen. Jede vierte Frau und jeder achte Mann sind betroffen. Sie macht nicht Halt vor Alter oder Bildungsstand. In allen Schichten, Altersklassen und Hautfarben gibt es Depressionen. Jede zehnte Mutter leidet unter einer behandlungsdürftigen seelischen Erkrankung im Wochenbett. Ich bin eine davon.

Doch warum hat es ausgerechnet mich erwischt? War ich doch bis zum Wochenbett nach der Geburt vom LauseBengel psychisch gesund. Oder?

Nein, rückblickend hatte ich schon vorher leichte depressive Episoden. Ich hatte nur keine Ahnung, dass es solche waren. Und auch rückblickend kann ich ein Muster erkennen. Ich habe ganz offensichtlich ein Hormonproblem.

Wenn ich zurück denke, hatte ich die erste (auffällige) depressive Episode nach dem Abi. Dann noch eine mit Anfang Zwanzig. Während beider Episoden nahm ich die Pille. Als ich damals meiner Gynäkologin von meinen Stimmungsschwankungen berichtete, befahl sie mir förmlich sofort die Pille abzusetzten. Alle depressiven Symptome waren wie weggeblasen. Meine Migräne übrigens auch.

Fast Forward. 2012. Im September wird der LauseBengel geboren. Ich entscheide mich (aus verschiedenen Gründen) nicht zu stillen und bekomme noch im Kreißsaal ein Abstillpräparat. Eine Hormonbombe. Dass dieses Präparat in den USA und Kanada verboten ist, weil es schwere psychische Erkrankungen (Depressionen, Suizidalität, Psychosen) auslösen kann, weiß ich damals nicht. Der Baby Blues fällt heftig aus, geht aber nach 2-3 Tagen vorüber. Es geht mir gut. Nach sechs Wochen gehe ich zur Kontrolle zur Gynäkologin (nicht die, die ich mit Anfang zwanzig hatte) und dort zeigt sich, dass meine Gebärmutter nicht weit genug zurück gebildet ist um eine neue Kupferspirale einzusetzten. Dass es total Quatsch ist sechs Wochen nach einer Geburt eine Spirale einzusetzten, weiß ich auch nicht. Ich vertraue der Ärtzin. Also nehme ich es hin, dass sie mir ein Mittel zur Gebärmutterkontraktion spritzt, damit sie eine Woche später die Spirale einsetzten kann (und Geld verdient). Wieder eine Hormonbombe.

Die Spritze bekomme ich mittags. Nachmittags kann ich mich schon nicht mehr um mein Baby kümmern. Es geht jede Woche schlechter, bis ich vier Wochen später in die Psychiatrie eingeliefert werde.

Ich bin acht Mal stationär. Mit und ohne Kind. Geschlossene und offene Psychiatrie. Ich gehe ambulant zur Psychotherapie, Theatertherapie, Pflegegesprächen, Selbsthilfegruppen, offene Treffpunkte für psychisch Kranke. Ich werde psychologisch komplett auf den Kopf gestellt. Als die Therapeuten keine psychische Ursache finden können, werden die abenteuerlichsten Theorien aufgestellt.

"Wahrscheinlich wollten Sie das Kind nicht!" (Falsch!)

"Dann stimmt was in Ihrer Ehe nicht!" (Auch falsch!)

"Sie haben ein Trauma, über das Sie nicht sprechen wollen!" (Total falsch!)

"Die Beziehung zu Ihren Eltern ist nicht in Ordnung!" (Hahahaha...!!!)

Nichts trifft zu. Erst in meiner allerletzten Therapiesitzung gibt mein Therapeut zu, dass es eine Depression ist, die wohl auf Stoffwechselproblematik (sprich Hormonen) beruht. Endlich, nachdem ich das drei Jahre lange gesagt habe, bestätigt ein Fachmann mein Bauchgefühl. Man kennt sich eben doch am besten selbst.

Nicht alle Depressionen werden "nur" durch Hormone ausgelöst. Ganz sicher habe ich auch eine genetische Komponente, die meiner Erkrankung nochmal die Türen geöffnet hat. Mein Vater hatte eine psychische Erkrankung (ist aber seit 50 Jahren komplett gesund), mein Großvater mütterlicherseits hatte ebenfalls Depressionen. Ich habe es von beiden Seiten mitbekommen. Das ist einfach Pech. Dass viele unglückliche Umstände zusammen kamen, ist ebenfalls Pech.

Doch bei all dem Pech, sehe ich, dass meine Erkrankung auch viel Gutes hatte. Ich war im Dunkel, es war pechschwarz und ich dachte, da komme ich nie mehr raus. Aber als ich das einmal geschafft hatte, habe ich das Licht gesehen, wie niemals zuvor. Im Dunkel ist immer Licht. Und keine Krise im Leben dauert für immer. So ist das. Und so muss man das sehen.

Liebste Grüße, Sanna


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen